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Circular Economy Hotspot NRW: 400 internationale Experten diskutierten in Bottrop


Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne zirkuläre Wirtschaft nicht zu gewinnen. Das ist die zentrale Botschaft des Circular Economy Hotspot 2022, der am 14. September 2022 in Bottrop zu Ende ging. Das dreitägige internationale Spitzentreffen, ausgerichtet von der Stadt Bottrop und dem Prosperkolleg an der Hochschule Ruhr West, fand erstmals in Deutschland statt. Die Effizienz-Agentur NRW beteiligt sich sowohl als Fachpartnerin der Region als auch Partnerin im Prosperkolleg mit zahlreichen Veranstaltungsformaten zu den Themen Circular Economy im Mittelstand und Circular Design, so u. a. mit Exkursionen zu umgesetzten Unternehmensprojekten, in den Panels oder den parallel laufenden Learning Labs. Ein Höhepunkt zum Abschluss: Rund 30 Unternehmen und Institutionen verkündeten im Rahmen des Hotspots die Gründung der Initiative "TTZ – Transform to zero", die ihren Schwerpunkt in der Emscher-Lippe-Region hat.

NRW-Ministerin Mona Neubaur eröffnete den Kongress virtuell. Foto: RDN/Pöhnert

"Die Panels haben gezeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber der Weg ist noch lang, und wir müssen die Geschwindigkeit erhöhen", sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer zum Abschluss des Hotspots. Foto: Nils Westerveld / WiN Emscher-Lippe

30 Partner - darunter die EFA - stellten die Initiative "Transform to Zero" beim CE Hotspot vor. Foto: RDN/Pöhnert

NRW-Umweltminister Oliver Krischer besuchte nach seinem Schlusswort die Begleitausstellung und informierte sich über erfolgreiche Ansätze, Initiativen und Angebote aus Nordrhein-Westfalen. Dabei nutzte er auch die Gelegenheit zu einem Fachaustausch am Stand der Effizienz-Agentur NRW und sprach mit Dr. Peter Jahns, Leiter der EFA (Mitte), und dem kaufmännischen Leiter der Agentur, Dirk Grudzinski (r.). Foto: EFA

Die Bedeutung der Veranstaltung und des Themas Circular Economy (CE), in dem EFA seit 2016 in Hinblick auf die Resourcenschonung aktiv ist, zeigte sich auch am Auftritt gleich zweier NRW-Minister: Von einem „Schlüssel, die Zukunft zu meistern“, sprach Schirmherrin Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW, in einer Videobotschaft. Das Potenzial für innovative Lösungen sei in NRW und besonders im Ruhrgebiet enorm. Ähnlich sah es auch NRW-Umweltminister Oliver Krischer, der zum Konferenzabschluss am Mittwochnachmittag auf der ehemaligen Zeche Prosper-Haniel sprach: „Circular Economy ist eines der wichtigsten Themen der Zeit. Und Sie haben mit dieser Konferenz einen wichtigen Beitrag geleistet. Auf die Herausforderungen des Klimawandel müssen wir mit dem Willen zur Transformation antworten. Circular Economy ist ein wesentlicher Bestandteil davon.“  

Oberbürgermeister Bernd Tischler, als Gastgeber freute sich über den großen Erfolg der Veranstaltung und sieht mit der Veranstaltung die Innovation City Bottrop auch im Bereich der Zirkularität als Vorreiter. Gemeinsam mit den lokalen Unternehmen, aber auch Bürgerinnen und Bürger will auch die Stadt den Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren, um die eigenen Klimaschutzziele – Klimaneutralität bis 2035 – zu erreichen. „Hier können wir gut an die Erfahrungen aus der InnovationCity anknüpfen“, so der Oberbürgermeister am 14. September.

Appell: "Business as usual ist nicht mehr akzeptal"

Noch etwas pointierter hatte es bereits Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut zu Beginn des Konferenztages auf der ehemaligen Zeche Prosper-Haniel gesagt: „Business as usual ist nicht mehr akzeptabel.“ Der Kampf gegen den Klimawandel sei nicht ohne den Umbau der Wirtschaft von einer linearen hin zu einer zirkulären zu gewinnen. Die Überproduktion von Konsumgütern ist für rund 50 Prozent der CO2-Emmissionen verantwortlich, so Wilts. Und Lars Baumgürtel, Geschäftsführer der ZINQ-Unternehmensgruppe, erläuterte später in einer Diskussionsrunde: „Wenn Sie Materialen mehrfach verwenden, sinkt automatisch der CO2-Footprint des Produktes.“  

Von der globalen Herausforderung zur Einzellösung

Der CE Hotspot 2022 schlug auf dem Konferenztag auf Prosper-Haniel den Bogen von den globalen Herausforderungen hin zu konkreten Anwendungen. So erfuhren etwa die Teilnehmer in einem von 14 sogenannten Learning Labs, wie schwierig jene Wiedergewinnung von Rohstoffen aus ausgedienten Produkten in der Praxis sein kann. Unter der Frage, wie das Recycling kleiner Elektrogeräte zukünftig aussehen kann, waren sie aufgefordert, alte Akkuschrauber oder elektrische Zahnbürsten so weit wie möglich zu demontieren, um an deren Einzelteile zu gelangen.

Was beim Akkuschrauber noch bis zu einem gewissen Grad funktionierte, erwies sich bei der Elektrozahnbürste mit einem praktisch nicht demontierbarem Plastikgehäuse schon als kaum zu lösende Herausforderungen. Auch Verklebungen oder kleinteilige Materialkombinationen erschwerten grundsätzlich die Wiedergewinnung der Einzelteile. Dies könnte zum Beispiel durch ein anderes Produktdesign vereinfacht werden. Das Prosperkolleg, das den CE Hotspot mitorganisierte, arbeitet in Bottrop u. a. an digitalen und robotergestützten Lösungen zur Wiedergewinnung von Rohstoffen von Elektrogeräten. Zudem unterstützt es kleine und mittlere Firmen bei den ersten Schritten hin zu einer zirkulären Produktionsweise u.a. mit einem Potenzialcheck, der ebenfalls Gegenstand eines Learning Labs war.  

Neue Formen der Zusammenarbeit

So war denn eine weitere Kernbotschaft des CE Hotspots, dass Zirkulärwirtschaft komplexer sei und mehr Abstimmungsprozesse erfordere als der traditionelle lineare Produktionsprozess. „Er benötigt mehr Partner und mehr Entscheidungen. Deswegen müssen wir auf dem Weg hin zur CE deutlich koordinierter vorgehen und uns mehr austauschen“, so Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut. Für Oberbürgermeister Bernd Tischler auch ein Grund, den CE Hotspots in Bottrop auszurichten, wie er vor den rund 400 internationalen Teilnehmern der Konferenz ausführte: „Wir haben enorm viel Know-how gerade hier in unserer Region, aber wir sind noch nicht gut genug, die zahlreichen Ideen in das tägliche Handeln zu überführen.“ Um dies zu ändern, stand ein Panel der Konferenz auch unter dem Titel: „Lernen von den Vorreitern“. Und da von gibt es gerade im Ruhrgebiet einige. Das hatten bereits am zweiten Kongresstag die insgesamt zwölf „Industrietouren“ zu Unternehmen der Zirkulärwirtschaftwirtschaft gezeigt (siehe gesondertes Blatt "Best Practices"). 

Effizienz-Agentur NRW gab Einblicke in die Praxis und informierte über Unterstützungsangebote 

Am Vortag konnen Teilnehmende im Rahmen des Hotspots zahlreiche Best-Practice Unternehmen aus der Region besuchen. Zu den Exkursionszielen zählten auch zwei Firmen, die die Ressourceneffizienz-Beratung der Effizienz-Agentur NRW nutzten:

Die Maibom Textilvertrieb GmbH aus Hamminkeln vertreibt Baumwollmischgewebe. Zusammen mit dem niederländischen Unternehmen SaXcell testet das Unternehmen zurzeit ein innovatives Verfahren, um anfallende Textilreste aus der Produktion chemisch zu einer  Lyocell-Faser zu recyceln. Zukünftig sollen 20 bis 30 Prozent der verarbeiteten Fasern aus diesem Recyclingmaterial aus Alttextilien bestehen.

Die Firma Kelvion aus Herne, ein weltweit tätiger Hersteller von industriell genutzten Wärmetauschern für unterschiedlichste Marktsegmente, hat in Zusammenarbeit mit der EFA ein neues, zirkulär orientiertes Geschäftsmodell erarbeitet. Mit „Heat Exchange as a Service“ können Anlagenbetreiber künftig bei Kelvion Wärmetauscher auf Pay-Per-Use Basis beziehen. Im Rahmen eines Abos wird also nur die tatsächliche Nutzung gezahlt, ohne einen Wärmetauscher kaufen zu müssen. Mit den unterschiedlichen Leistungspaketen können so höchste Zuverlässigkeit und Prozesseffizienz sichergestellt werden, was zu einer Erhöhung der Produktnutzungsdauer und so zu einer Einsparung von Halbfertigprodukten führt.

Darüber hinaus war mit der WILO SE ein Unternehmen bei der Exkursion beteiligt, das das Treibhausgas-Bilanzierungstool ecocockpit der EFA erfolgreich nutzte.

Am Konferenztag nahm Dr. Peter Jahns, Leiter der EFA, an der 3. Panel-Diskussion zum Thema "Exploring Enabling Drivers for a Circular Economy Transformation" teil und stellte konkrete Ansatzpunkte und Unterstützungsangebote zum erfolgreichen Gelingen einer Transformation im produzierenden Mittelstand vor.

Wie zirkuläre Geschäftsmodell- und Designstrategien aussehen und vor allem angewendet werden können, konnten Interessiere im Rahmen eines CIRCO-Workshops der EFA in Bottrop erfahren. Zahlreiche Gespräche mit interessierten Unternehmen am Ausstellungsstand der EFA zeigten, wie groß das Interesse am Thema und am Beratungsansatz der EFA ist.  

 „Transform to zero“ ging an den Start

Mit dabei auch die ZINQ GmbH & Co. KG, deren geschäftsführender Gesellschafter Lars Baumgürtel auch beim dritten Kongresstag mehrfach auftrat. Die mittelständische Unternehmensgruppe rund um die Feuerverzinkung von Stahl hat sich schon früh dem Ziel einer nachhaltigen Zirkulärwirtschaft verschrieben und Partner und Mitstreiter gesucht. Umso zufriedener verkündete Baumgürtel gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Uwe Handmann, Projektleiter des Prosperkollegs, gegen Ende der Konferenz die Gründung der Initiative „TTZ – Transform to Zero“, der sich rund 30 Firmen und Institutionen angeschlossen haben. Das gemeinsame Ziel der Initiative unter dem Dach des Prosperkollegs: Null Abfall („Zero waste“), keine Umweltverschmutzung („Zero Pollution“) und Klimaneutralität („Zero Carbon“). „Unsere gemeinsame Überzeugung ist, abwarten wäre falsch. Je früher, pro-aktiver und effizienter wir uns auf den Weg zu einer zirkulären Wirtschaftsweise machen, desto besser sind unsere Unternehmen für die Zukunft aufgestellt“, so Baumgürtel, der auch Sprecher der Initiative „TTZ – Transform to Zero“ ist. Prof. Dr.-Ing Handmann ergänzte: „Wir hatten vor zwei Jahren die Idee, Firmen auf dem Weg zu Circular Economy zu unterstützen. Am Ende waren wir erfolgreich.“

Viel Lob aus aller Welt

Am Ende gab es auch von internationalen Gästen viel Lob für die Veranstaltung, die Stadt Bottrop und die Region: Mireia Cañellas, federführend verantwortlich für den vorangegangen CE Hotspot 2021 in Barcelona, zeigte sich beeindruckt vom Wandel der Region mit einer hohen Abhängigkeit von der Kohle hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Und Freek van Eijk, der 2016 den ersten CE Hotspot in den Niederlanden initiierte, sagte: „Wir haben Bottrop wegen der Nähe zwischen Industrie und anderen Partnern ausgewählt. Und ich muss sagen: Sehr gut gemacht, Bottrop! Es ist eine große Verantwortung, aber Ihr schafft das!“  

Richtiger, aber noch langer Weg

Und doch waren sich alle einig, dass noch ein langer Weg zu beschreiten ist: „Veranstaltungen wie der Hotspot können nur ein Anfang sein“, so van Eijk. „Die Panels haben gezeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber der Weg ist noch lang, und wir müssen die Geschwindigkeit erhöhen.“, so auch NRW-Umweltminister Oliver Krischer. 

Immerhin trägt der Hotspot und die Vorarbeit der letzten Jahre nicht zuletzt im Prosperkolleg mit Gründung der Initiative „Transform to zero“ bereits weitere Früchte. Oder wie dessen Sprecher Lars Baumgürte es ausdrückte: „Das Wichtigste ist anzufangen. Dann ergibt ein Schritt den nächsten.“ 

Der CE Hotspot findet im nächsten Jahr erstmals an drei Orten auf drei Kontinenten statt: in Dublin/Irland, Lagos/Nigeria und Santiago de Chile.

Hintergrund:

Seit 2016 findet der Circular Economy Hotspot als internationale Veranstaltung zur zirkulären Wertschöpfung mit Experten und Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und öffentlichen Initiativen statt. Nach Stopps in den Niederlanden, in Luxemburg, Schottland, Belgien und Spanien war vom 12. bis 14. September 2022 die ehemalige Bergbaustadt und heutige InnovationCity Bottrop Gastgeberin dieses Gipfeltreffens. Mit Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW und unter der Schirmherrschaft von Mona Neubaur organisiert die Stadt Bottrop den Hotspot für das Land NRW. Neben Praxisbeispielen standen der gemeinsame Austausch und Vernetzung in Podiumsdiskussionen und Workshops im Fokus. Ziel ist die Transformation hin zur Circular Economy zu beschleunigen, um rohstoffschonender zu produzieren, das Klima zu schützen und dabei Kosten zu sparen.