Presse

„Ressourceneffizient aus der Krise“ – Interview mit Dr. Peter Jahns, Leiter der Effizienz-Agentur NRW


Die Corona-Epidemie zwingt Deutschland zum Stillstand. Laut den Berechnungen des Ifo-Instituts entstehen je nach Szenario Kosten zwischen 255 und 495 Milliarden Euro, wenn die Wirtschaft zwei Monate lang weitestgehend stillsteht. Auswirkungen, von denen kleine und mittlere produzierende Unternehmen in Nordrhein-Westfalen besonders hart betroffen sind. Wir sprachen mit dem Leiter der Effizienz-Agentur NRW, Dr. Peter Jahns, über die Stimmung in der NRW-Wirtschaft sowie die Auswirkungen, die die Krise auf das Beratungsgeschäft der im Auftrag NRW-Umweltministeriums tätigen Agentur hat, und warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich als Unternehmen mit dem Thema Ressourceneffizienz zu beschäftigen.

Dr. Peter Jahns: "Neben dem schnellen Wiederaufbau der alten Strukturen nach der Krise plädiere ich auch dafür, die Chance zu nutzen, die Wirtschaft klima- und ressourcenschonender aufzustellen." Foto: EFA

Herr Dr. Jahns, wo erreichen wir Sie gerade?

Tatsächlich erreichen Sie mich gerade im EFA-Büro in Duisburg-Ruhrort. Wir sitzen mit einem kleinen Team von vier Mitarbeitern verteilt über unsere Büroebene. Der wichtigste Mitarbeiter ist zurzeit unser EDV-Experte Karl Hufmann, der die Kommunikation zu unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office und zu unseren Partnern und Kunden via Videochats und-konferenzen ermöglicht.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf das Geschäft der Effizienz-Agentur NRW aus?

Das Geschäft brummt – noch. Viele bereits laufende Beratungsprojekte müssen weiter betreut werden, teilweise ist der Termindruck sogar größer geworden. Wir versuchen, die laufenden Prozesse und Projekte – soweit möglich – digital weiterzuführen. Und das ist uns bisher gut gelungen.

Welche digitalen Angebote bietet die EFA Unternehmen an?

Für neue Kontakte und daraus sich ergebende neue Projekte in mittelständischen Unternehmen entwickeln wir gerade unsere digitalen Angebote weiter. Unsere Ressourceneffizienz- und Finanzierungsberater sind per Videokonferenz und natürlich weiterhin per Telefon und E-Mail erreichbar. Nach den Osterferien werden wir zahlreiche Webinare anbieten – u. a. zu den Themen ecocockpit und ecodesign.

Gemeinsam mit der EnergieAgentur.NRW werden wir auch das Effizienz-Forum Niederrhein am 8. April in Kevelaer online durchführen.

Das direkte, persönliche Gespräch mit den Unternehmen können diese Angebote allerdings nur bedingt ersetzen. Aber einige Online-Formate werden wir wahrscheinlich auch nach der Krise stärker nutzen als bisher.

Die Effizienz-Agentur NRW ist immer nah an den Unternehmen – ob von Duisburg oder den acht Regionalbüros aus. Mit welche Fragen kommen die Betriebe jetzt auf Ihre Mitarbeiter und Sie zu?

Das sind sehr unterschiedliche Fragen. In einigen Betrieben wurden laufende Ressourceneffizienz-Projekte aufgrund der angespannten Lage leider sofort eingestellt. Hier haben andere Fragestellungen zurzeit Priorität.

Unternehmen können die Zeit aber nutzen, um sich z. B. mit dem Thema CO2-Reduzierung auseinanderzusetzen. Alleine für unser CO2-Bilanzierungstool ecocockpit haben sich in den vergangenen zwei Woche über 35 Unternehmen registriert. Hier stellen wir auch eine große Nachfrage nach unseren Webinar-Angeboten fest.

Viele Firmen haben Fragen zur Finanzierung und zu aktuellen Förderangeboten. Hier sind unsere Finanzierungsprofis täglich gefragt. Wir versuchen, Probleme zu lösen oder unsere Kunden kurzfristig an weitere Stellen zu vermitteln.

Andere Betriebe stellen gerade ihre Produktion aufgrund der Krise kurzfristig um – z. B. auf dringend benötigte Produkte wie Desinfektionsmittel – und fragen uns nach technischen Anbietern oder Fördermöglichkeiten. Auch hier unterstützen wir gerne.

Wie schätzen Sie zum jetzigen Zeitpunkt die Auswirkungen der Corona-Epidemie auf die NRW-Wirtschaft ein?

Als tiefgreifend und gleichzeitig unvorhersehbar. Nordrhein-Westfalen ist ein Industrieland. Und wenn ich alleine an die vielen Unternehmen aus Industrie und Handwerk denke, die wir in den vergangenen 20 Jahren durch unsere Beratungen kennengelernt haben, dann mache ich mir angesichts der ineinander verwobenen Liefer- und Wertschöpfungsketten große Sorgen.

Bei unseren Kunden, die einen großen Anteil ihrer Produkte exportieren, hatten wir bereits im Dezember Einbrüche im Absatz mitbekommen. Im Januar fielen die ersten Zulieferer aus Südostasien aus. Und heute hat sich bei 80 Prozent der produzierenden Unternehmen in NRW der Absatz deutlich reduziert oder ist komplett eingebrochen. Schauen Sie auf die Automobilhersteller, die relativ rasch ihre Produktion stillgelegt haben. Das hat grundlegende Auswirkungen auf die vielen Zuliefererbetriebe im Land.

Wir wird es nach der Krise weitergehen?

Nach dieser nötigen Vollbremsung muss die Wirtschaft nach der Corona-Krise erst einmal wieder ins Laufen gebracht werden. Wir werden dann erkennen, wo sich Lücken auftun, also wo Betriebe die Krise nicht überstehen konnten.

Neben dem schnellen Wiederaufbau der alten Strukturen plädiere ich auch dafür, die Chance zu nutzen, die Wirtschaft klima- und ressourcenschonender aufzustellen. Hier bestehen sowohl in den einzelnen Betrieben als auch in den Lieferketten große Potenziale.

Und wir werden, so vermute ich, sensibler für regionale Wertschöpfungssysteme sein. Wir werden es schätzen, etwas unabhängiger von vernetzten, aber anfälligen globalen Lieferketten zu werden. Ich glaube, diese neue Unabhängigkeit werden wir uns angesichts der aktuellen Erfahrungen auch etwas kosten lassen – gerade, wenn es z. B. um die Versorgung mit medizinischen Produkten und Ausrüstung geht.

Wir als Effizienz-Agentur NRW sehen unsere Aufgabe darin, den Unternehmen in dieser kommenden Anlaufphase zur Seite zu stehen und gemeinsam Potenziale für ein nachhaltigeres und ressourceneffizienteres Wirtschaften zu heben.

Herr Dr. Jahns, vielen Dank für das Gespräch.